WESERAUE BEI PETERSHAGEN
FAMILIE ADEBAR IM AUFWIND
Früher gehörte das Klappern der Störche in Petershagen zum Dorfalltag, doch intensiv betriebene Landwirtschaft schränkte die Lebensräume der Vögel immer weiter ein. Nur noch selten ließen sich die sympathischen Tiere auf Dachfirsten zum Brüten nieder. Aber in Petershagen wagten sich die Mitglieder des Aktionskomitees "Rettet die Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke" hoch hinaus – mit Erfolg. Ihnen ist es zu verdanken, dass sich mittlerweile 24 Brutpaare in der Gegend niedergelassen haben.
Gerade noch vier wild lebende Weißstorch-Paare gab es vor ein paar Jahren in ganz Nordrhein-Westfalen. Um den Tieren auf Dauer eine Lebenschance zu geben, kümmert sich das Aktionskomitee seit Mitte der 80er Jahre um die Zugvögel. Keine Angst vor schwindelnder Höhe ist die Grundvoraussetzung für diese Aufgabe. Bevor die Zugvögel im April aus Afrika zurückkehren, montieren die Storchenfreunde neu gebaute Nisthilfen auf Masten und Dächern. Bestehende Horste testen sie auf Stabilität und entfernen gefährlichen Abfall. Alfons Bense, ehrenamtlicher "Storchenvater" im Kreis Minden-Lübbecke, erklärt, warum dieser "Hausputz" so wichtig ist: "Nicht, weil wir den Störchen das Baumaterial vorschreiben, sondern weil Müll tödlich sein kann. Ein Stück Plastikplane an der falschen Stelle, und die Jungen sitzen nach einem Regenschauer bis zum Bauch im Wasser, dann sterben sie an Unterkühlung."
Doch dem Nachwuchs drohen auch noch andere Gefahren. Drei von vier Vögeln kehren von ihrer ersten großen Reise ins Winterquartier nicht zurück, und schon die ersten Flugstunden sind ein Risiko. Die Jungvögel müssen erst lernen, wann man das "Fahrgestell" ausfährt, wie man auch bei böigem Wind eine Punktlandung schafft oder schlecht erkennbaren Hindernissen ausweicht. Hochspannungsdrähte etwa sind im ererbten Storchenweltbild nicht vorhanden. Am wichtigsten für das Überleben der Tiere ist jedoch das Nahrungsangebot – Wagenräder auf Bauernhäusern und Holzmasten sind nämlich nur ein kleines Mosaiksteinchen bei der Rettung der Störche. Wo dieser Schreitvogel zu Hause ist, müssen pro Horst etwa 200 Hektar Feuchtland zur Verfügung stehen, auf dem sich reiche Beute machen lässt: Regenwürmer, Grasfrösche, Wühlmäuse und Heuschrecken. Wild lebende Störche sind daher ein Indikator für intakte Naturräume: "Wo sie nicht überleben können, fehlen nicht einfach Störche, sondern die ganze Umwelt ist krank", stellt Bense klar.

Das neue Westfälische Storchenmuseum wurde im ältesten Haus Windheims eingerichtet. Sein vorgewölbter Giebel, die sogenannte "Schaumburger Mütze", ist typisch für die Bauweise der Region.Um den genauen Überblick über den Storchenbestand zu gewinnen, registrieren die Mitglieder des Aktionskomitees auch sämtliche Jungstörche. Bevor der Nachwuchs flügge wird, bekommt er seinen Ring. Nicht zu früh, sonst rutscht das Metallstück über die noch dünnen Beinchen. Fünf Wochen alt ist gerade richtig, dann fallen die Jungen noch reflexartig in ein Starre und lassen den "Hausbesuch" regungslos über sich ergehen. Schon zehn Tage später würden sie wahrscheinlich in Panik aus dem Nest springen und sich verletzten. Die Ringe gleichen mittlerweile einem Reisepass und können problemlos mit dem Fernglas abgelesen werden. Sogar eine E-Mail-Adresse steht darauf. "Wir sind das Einwohnermeldeamt für die Störche und können ihre individuelle Geschichte verfolgen", erklärt Alfons Bense.
Von Horst- oder Partnerwechsel bis zu Revierstreitigkeiten – in einer Art "Personalakte" notiert Bense alle Besonderheiten. Und auch alle Menschen mit Internetzugang haben die Möglichkeit, am Storchenleben teilzunehmen: Auf dem Amtsgericht in Petershagen ist eine Videokamera installiert, die Live-Bilder von einem Storchennest überträgt – Big Brother im Storchenland.
Im Kreis Minden-Lübbecke lässt sich das ganze Jahr etwas über die gefiederten "Saisongäste" erfahren. Im "Haus Windheim No.2", einem mehr als 300 Jahre alten, denkmalgeschützen Fachwerkbau in Petershagen, hat ein Storchenmuseum Platz gefunden, das sich mit der Verbreitung der Störche in der Weseraue und ihrer Rolle in Mythologie, Fabel und volkskundlichem Erzählgut beschäftigt.
Broschüre [PDF, 237 kb]
Zum ersten Mal seit über 45 Jahren brüteten wieder Störche auf Mindener Stadtgebiet. Die Zahl der ausfliegenden Jungstörche lag 2009 bei 36, ein Jungtier mehr als im Vorjahr. Obwohl die brütenden Paare immer mehr werden, bleibt die Zahl der überlebenden Jungstörche jedoch in den letzten Jahren konstant. Wie das Aktionskomitee vermutet, liegt das an der ungünstigen Witterung 2009, aber auch am Nahrungsangebot, das mit weiteren Schutzgebieten verbessert werden könnte.
Bericht aus dem Stiftungsmagazin 1/2010
Gerade noch vier wild lebende Weißstorch-Paare gab es vor ein paar Jahren in ganz Nordrhein-Westfalen. Um den Tieren auf Dauer eine Lebenschance zu geben, kümmert sich das Aktionskomitee seit Mitte der 80er Jahre um die Zugvögel. Keine Angst vor schwindelnder Höhe ist die Grundvoraussetzung für diese Aufgabe. Bevor die Zugvögel im April aus Afrika zurückkehren, montieren die Storchenfreunde neu gebaute Nisthilfen auf Masten und Dächern. Bestehende Horste testen sie auf Stabilität und entfernen gefährlichen Abfall. Alfons Bense, ehrenamtlicher "Storchenvater" im Kreis Minden-Lübbecke, erklärt, warum dieser "Hausputz" so wichtig ist: "Nicht, weil wir den Störchen das Baumaterial vorschreiben, sondern weil Müll tödlich sein kann. Ein Stück Plastikplane an der falschen Stelle, und die Jungen sitzen nach einem Regenschauer bis zum Bauch im Wasser, dann sterben sie an Unterkühlung."
Doch dem Nachwuchs drohen auch noch andere Gefahren. Drei von vier Vögeln kehren von ihrer ersten großen Reise ins Winterquartier nicht zurück, und schon die ersten Flugstunden sind ein Risiko. Die Jungvögel müssen erst lernen, wann man das "Fahrgestell" ausfährt, wie man auch bei böigem Wind eine Punktlandung schafft oder schlecht erkennbaren Hindernissen ausweicht. Hochspannungsdrähte etwa sind im ererbten Storchenweltbild nicht vorhanden. Am wichtigsten für das Überleben der Tiere ist jedoch das Nahrungsangebot – Wagenräder auf Bauernhäusern und Holzmasten sind nämlich nur ein kleines Mosaiksteinchen bei der Rettung der Störche. Wo dieser Schreitvogel zu Hause ist, müssen pro Horst etwa 200 Hektar Feuchtland zur Verfügung stehen, auf dem sich reiche Beute machen lässt: Regenwürmer, Grasfrösche, Wühlmäuse und Heuschrecken. Wild lebende Störche sind daher ein Indikator für intakte Naturräume: "Wo sie nicht überleben können, fehlen nicht einfach Störche, sondern die ganze Umwelt ist krank", stellt Bense klar.


Von Horst- oder Partnerwechsel bis zu Revierstreitigkeiten – in einer Art "Personalakte" notiert Bense alle Besonderheiten. Und auch alle Menschen mit Internetzugang haben die Möglichkeit, am Storchenleben teilzunehmen: Auf dem Amtsgericht in Petershagen ist eine Videokamera installiert, die Live-Bilder von einem Storchennest überträgt – Big Brother im Storchenland.
Im Kreis Minden-Lübbecke lässt sich das ganze Jahr etwas über die gefiederten "Saisongäste" erfahren. Im "Haus Windheim No.2", einem mehr als 300 Jahre alten, denkmalgeschützen Fachwerkbau in Petershagen, hat ein Storchenmuseum Platz gefunden, das sich mit der Verbreitung der Störche in der Weseraue und ihrer Rolle in Mythologie, Fabel und volkskundlichem Erzählgut beschäftigt.


Störche im Aufwind
Die Störche im Kreis Minden-Lübbecke sind weiter im Aufwind. Gegenüber dem Vorjahr haben sich die brütenden Storchenpaare 2009 um fünf auf nunmehr 29 Paare erhöht. Noch 1990 waren lediglich drei Brutpaare im Kreis zu Hause, die gerade einmal fünf Junge hervorbrachten. Über die Entwicklung freuen sich das Aktionskomitee "Rettet die Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke e.V." und die NRW-Stiftung, die in den vergangenen Jahren über 400 Hektar Grünland an den Ufern von Weser und Bastau erwarb, um den Lebensraum der Störche zu verbessern und zu schützen. 2009 wurden neue Brutgebiete von den Störchen erschlossen. So in Neuenknick, wo Mitarbeiter einer Kfz-Werkstatt einen Horst gekonnt auf einen alten Leitungsmast aufsetzten, der sogleich von einem Storchenpaar angenommen wurde.Zum ersten Mal seit über 45 Jahren brüteten wieder Störche auf Mindener Stadtgebiet. Die Zahl der ausfliegenden Jungstörche lag 2009 bei 36, ein Jungtier mehr als im Vorjahr. Obwohl die brütenden Paare immer mehr werden, bleibt die Zahl der überlebenden Jungstörche jedoch in den letzten Jahren konstant. Wie das Aktionskomitee vermutet, liegt das an der ungünstigen Witterung 2009, aber auch am Nahrungsangebot, das mit weiteren Schutzgebieten verbessert werden könnte.
Bericht aus dem Stiftungsmagazin 1/2010
Webcam auf dem Amtsgericht Petershagen
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